Epilepsie beim Hund: Ein komplexes Krankheitsbild

Die Epilepsie gehört zu den Hundekrankheiten, die viele verschiedene Ursachen haben können. Ein epileptiformer Anfall ist für den Hund mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden und kann in schweren Fällen zu bleibenden Hirnschäden führen. Um den Auslöser für die Epilepsie des Hundes zu identifizieren, ist eine umfangreiche Diagnostik unerlässlich.

Hund epileptischer Anfall
Typisch für die Epilepsie beim Hund sind krampfartige Anfälle - Gareth Blunt / 123rf

Definition

Der Begriff Epilepsie beschreibt ein vom Gehirn ausgehendes Anfallsleiden, das nicht durch eine aktuell bestehende Krankheit oder Verletzung erklärt werden kann (wie es zum Beispiel nach einer Kopfverletzung der Fall wäre). Dabei kommt es zu spontanen Krampfanfällen.

Zurückzuführen sind diese auf eine plötzliche, zeitgleich erfolgende Entladung einer großen Anzahl von Nervenzellen im Gehirn. Dadurch erfolgt eine massive Überstimulation des Nervensystems, die zu unkontrollierten Bewegungen und mitunter Bewusstlosigkeit führt.

Ursache von Epilepsie bei Hunden

Die möglichen Auslöser für Krampfanfälle sind vielfältig. Demzufolge kann die Epilepsie nach Arten der Ursache unterteilt werden. Es wird allgemein zwischen der primären und der sekundären Epilepsie unterschieden.

Primäre Epilepsie

Diese Krankheitsform wird auch idiopathische Epilepsie oder genetische Epilepsie genannt. Sie zählt zu den Erbkrankheiten des Hundes und kommt bei bestimmten Rassen, zum Beispiel Rhodesian Ridgebacks, gehäuft vor.

Anhand bildgebender Diagnostik ist diese Form der Epilepsie nicht nachvollziehbar, da im Gehirn keine Auffälligkeiten zu erkennen sind. Die Krampfanfälle können bereits bei jungen Hunden auftreten. Zwischen zwei Anfällen sind die Tiere komplett symptomfrei.

Sekundäre Epilepsie

Die sekundäre oder strukturelle Epilepsie tritt infolge einer Krankheit oder Verletzung auf. Mögliche Ursachen sind beispielsweise eine Hirnhaut- oder Hirnentzündung, ein Schädeltrauma, eine Hirnblutung oder ein Hirntumor.

Die krankhaften Veränderungen des Hirngewebes sind mit Hilfe von bildgebender Diagnostik deutlich erkennbar. Je nach konkreter Ursache zeigen die betroffenen Tiere auch zwischen zwei Krampfanfällen neurologische Symptome.

Metabolische Epilepsie

Streng genommen ist auch die metabolische oder organische Epilepsie eine Form der sekundären Epilepsie, da sie infolge einer anderen Erkrankung auftritt. Allerdings befindet sich der ursprüngliche Auslöser hier nicht im Gehirn, sondern im Stoffwechsel. Es können Hunde aller Altersklassen betroffen sein. Mögliche Ursachen sind zum Beispiel:

  • Leberfunktionsstörung: Es kommt zu einem erhöhten Ammoniakspiegel im Blut, der eine toxische Wirkung auf das Gehirn hat.
  • Nierenfunktionsstörung: Die Ausscheidung von Kreatinin und Harnstoff, zwei Abfallstoffen des Körpers, ist beeinträchtigt. Ihre erhöhte Konzentration im Blut hat eine toxische Wirkung auf das Gehirn.
  • Hypoglykämie (Unterzuckerung): Lange Fresspausen beim Welpen oder übermäßige Insulinverabreichung an einen Diabetes-Patienten führen zu einer Unterversorgung des Gehirns mit Energie.
  • Hyponatriämie: Ein erniedrigter Blutnatriumspiegel kann zum Beispiel durch längerfristiges Erbrechen, massiven Durchfall, Verbrennungen, Herz- oder Nierenerkrankungen zustande kommen.

Schon gewusst?
Die Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff kann zu Ohnmachtsanfällen führen, die jedoch nichts mit einer Epilepsie zu tun haben.

Symptome je nach Anfallsform

Ein epileptischer Anfall kann generalisiert (den ganzen Körper betreffend) oder fokal (herdförmig) auftreten. Im Falle eines generalisierten Anfalls setzen beide Großhirnhälften ein Signalfeuerwerk in Gang. Ein fokaler Anfall entsteht, wenn nur einzelne Bereiche des Gehirns betroffen sind.

Generalisierter Anfall

Der typische epileptische Anfall geht mit krampfenden Bewegungen des ganzen Körpers einher. In den meisten Fällen gibt es bestimmte Vorboten, die das sogenannte Stadium 1 kennzeichnen. Dazu gehören:

  • Wesensveränderung, zum Beispiel Unruhe, Rückzug, auffällige Anhänglichkeit
  • Schlecken, Speicheln
  • Vermehrter Harndrang

Das Stadium 1 geht nach einigen Minuten bis mehreren Stunden abrupt in Stadium 2 über:

  • Bewusstlosigkeit, Zusammenbrechen
  • Versteifung der Skelettmuskulatur
  • Krämpfe und Zuckungen am ganzen Körper
  • Ruderbewegungen mit den Beinen
  • Speichelfluss
  • Lautäußerungen wie Winseln

Der eigentliche Krampfanfall dauert normalerweise maximal zwei Minuten. Danach folgt das Stadium 3, welches wenige Minuten, aber auch bis zu drei Tage anhalten kann. Typisch sind währenddessen:

  • Benommenheit
  • Desorientierung
  • Erschöpfung
  • Gleichgewichtsprobleme
  • Sehstörungen
  • Heißhunger, Durst

In dieser Phase neigen Hunde vermehrt dazu, Fremdkörper aufzunehmen, weshalb sie vom Besitzer gut überwacht werden müssen.

Achtung:
Hält die Bewusstlosigkeit länger als 10 Minuten an, besteht Lebensgefahr! Der sogenannte Status epilepticus ist ein dringender Notfall und erfordert eine sofortige Intensivtherapie durch einen Tierarzt.

Fokaler Anfall

Ein fokaler (partieller) Anfall kann relativ unauffällig sein und vom Tierbesitzer unbemerkt bleiben: Die unwillkürlichen Bewegungen beschränken sich dabei auf bestimmte Körperareale und der Hund bleibt bei Bewusstsein. Mögliche Anzeichen eines solchen herdförmigen Anfalls sind:

  • Muskelzuckungen, zum Beispiel an den Ohren, Lefzen, der Haut oder einer Pfote
  • Schlecken, ungewöhnliche Zungenbewegungen
  • Leerkauen, Schnappen in die Luft
  • Zwanghafte Kopfbewegungen
  • Verziehen des Gesichts
  • Unbegründetes Bellen

Auch, wenn der Hund (bisher) nie einen Krampfanfall hatte, sollte bei derartigen Symptomen immer auch an eine Epilepsie gedacht werden.

Diagnostik der Hunde-Epilepsie

Deutet der Vorbericht durch den Besitzer auf einen epileptischen Anfall hin oder hat der Tierarzt ihn selber beobachtet (vor Ort oder auf einer Videoaufnahme), muss die konkrete Ursache ermittelt werden.

Dazu eignen sich zunächst eine umfangreiche Blutuntersuchung, bei der unter anderem die Konzentration verschiedener Elektrolyte, Enzyme, Stoffwechsel- und Abfallprodukte im Blut überprüft wird. Sind Veränderungen feststellbar, werden im nächsten Schritt die dafür infrage kommenden Organe untersucht, zum Beispiel durch einen Ultraschall oder eine Harnuntersuchung.

Lassen sich die Anfälle anhand des Blutergebnisses nicht erklären, ist der nächste Schritt meist eine Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT), um mögliche strukturelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen.

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Therapie von Epilepsie bei Hunden

Die Epilepsie des Hundes muss grundsätzlich dann therapiert werden, wenn sie häufiger als alle drei Monate auftritt oder die Anfälle einen besonderen Schweregrad aufweisen. Letzterer ist bei einem Status epilepticus sowie bei Serienanfällen gegeben.

Eine genetische Epilepsie ist grundsätzlich medikamentös behandelbar, die optimale Einstellung der Antiepileptika kann allerdings einige Wochen bis Monate in Anspruch nehmen.

Im Falle einer organischen Erkrankung oder Stoffwechselstörung muss die Grundursache beseitigt werden. In diesem Zusammenhang kann es auch erforderlich sein, die Ernährung des Hundes anzupassen. Einige Ursachen, beispielsweise ein Tumor oder ein sogenannter Lebershunt, erfordern einen chirurgischen Eingriff.

Herausgegeben von

Martin Walter